Berichte/Presse: Salzach-Gymnasium Maulbronn

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„Corpus Delicti“ - Kennen wir diese „fiktive“ Gesundheitsdiktatur nicht schon? Wie die scheinbare Vernunft zur Kritik wird.

Autor: SGMaulbronn
Artikel vom 17.10.2023

Am Mittwoch, den 4. Oktober 2023 wollten wir, die Deutsch Leitungskurse der Jahrgangsstufe 1 aus Maulbronn in das Theaterstück „Corpus Delicti“ im „JES (Junges Ensemble Stuttgart)“. Da Corpus Delicti in seiner Romanform das Schwerpunktthema für unseren Jahrgang ist, bot sich der Besuch an. Die Anreise mit Bus und Bahn war leider stark verzögert, sodass wir 30 Minuten zu spät und ca. 15 Minuten nach Beginn der Vorstellung erst den Theatersaal betreten konnten. Das JES-Team hatte erst gewartet, mussten aber dann doch vor unserem Eintreffen mit der Vorstellung beginnen.

Schon beim Eintreten ist uns direkt das weiße und minimalistische Bühnenbild aufgefallen, welches die Sterilität der Gesundheitsdiktatur widerspiegelt. Rechteckige Vertiefungen im Boden dienten als Sitzmöglichkeiten oder Stauräume. Ansonsten war nur ein Möbelstück auf der Bühne: ein weißes Sofa, auf dem die ideale Geliebte saß. Alles war sehr einfach, kühl und funktional gehalten – wie das Prinzip der Funktionalität im Methodenstaat. Denn darum geht es in Juli Zehs „Corpus Delicti“: Auf der Homepage des JES wird dies so zusammengefasst: „Die Wissenschaft hat wahre Wunder bewirkt: Genforschung, Früherkennung und strenge Hygienegesetze verhindern den Ausbruch jedweder Erkrankung. Im Gefolge des medizinischen Fortschritts hat der gesunde Menschenverstand ein politisches System entstehen lassen, das seine Bürger*innen vor körperlichem Leid bewahrt. Der Preis für die Sicherheit: Kontrolle und lückenlose Überwachung.“ Schon während der Lektüre des Romans im Deutschunterricht thematisierten wir die Bezüge zu unserem Erleben während der Corona-Pandemie. Manches, was zur Entstehungszeit – der Roman ist 2009 erschienen - noch als Science-Fiction oder Dystopie galt, haben wir selbst erlebt. Ursprünglich hatte Juli Zeh „Corpus Delicti“ als Theaterstück im Auftrag der RuhrTriennale geschrieben. Inwiefern die Inszenierung des JES von Brigitte Dethier auf diese Bühnenfassung zurück geht oder ob der Roman, den wir im Deutschunterricht behandeln, Grundlage ist, ist uns nicht bekannt.

Mia Holl, die Protagonistin, gespielt von Estelle Schmidlin, ist Biologin und war bis zum Tod  ihres Bruders Moritz eigentlich eine treue Anhängerin der sogenannten Methode. Doch dann wird ihr Moritz Holl, dargestellt von Sebastian Brummer, des Mordes bezichtigt und begeht Selbstmord. Mehr und mehr zweifelt Mia am Sinn der Methode. Mia Holls Erinnerungen an ihren Bruder wie auch die Gerichtsverhandlung - sie ist wegen antimethodistischen Umtrieben angeklagt - wurden filmisch umgesetzt und auf verschiedenen Bildschirmen gezeigt. Eine gute Möglichkeit den umfangreichen Roman zu kürzen und trotzdem, die auf einer Bühne eher schwer darzustellenden Szenen, dem Publikum nahe zu bringen. Insgesamt waren nur vier Figuren live auf der Bühne: Mia Holl, die ideale Geliebte, dargestellt von Laura-Sophie Warachewicz, Heinrich Krahmer (Johannes Nehlsen), ein überzeugter Methodist und Lutz Rosentreter, (Maximilian Schaible) der Anwalt Mia Holls. Auf den ersten Blick passte die Besetzung nicht immer zur Romanvorlage, da wir uns ein anderes Bild von den Figuren gemacht hatten. So hat Kramer im Roman dunkles, volles Haar, Johannes Nehlsen hat eher weniger Haare. Doch die charakteristischen Eigenschaften stellen alle überzeugend dar. Rosentreter war tollpatschig, Kramer ernst und arrogant, Mia wütend und die ideale Geliebte frech. Estelle Schmdlin hat mir ihrer sehr kantigen Darstellung Mia Holls uns nicht ganz erreicht. Dafür überzeugte Sophie Warachewicz nur auf dem Sofa sitzend umso mehr.

Kostüm und Requisite waren stark reduziert und deshalb besonders passend zum Inhalt. Während Mia Holl, Krahmer und Rosentreter in Alltagskleidung auftraten, war die ideale Geliebte ganz in weiß gekleidet.

Das Zusammenspiel von Musik, Projektion und Licht hat uns begeistert. Fast unmerklich wechselte der Farbton des Lichts: kalt und weiß im Gesundheitsstaat, warm, wenn es um Moriz Holl und seine Ablehnung der Methode ging, grau und dunkel in den Gefängnisszenen. Alles immer wieder mit Bild- oder Filmprojektionen hinterlegt, z.T. auch im verfälschten Ton und nur mit instrumentaler Musik hinterlegt.

Insgesamt empfanden wir die Inszenierung als sehr gelungen. Es wurde auf viele Details geachtet und Spannung aufgebaut, was den Besuch lohnenswert machte. Unser Parallelkurs hat den Roman noch nicht gelesen und hatte doch einige Schwierigkeiten die komplexe Geschichte zu erfassen. Wir empfehlen also: 1. Roman lesen, 2. die Aufführung des JES besuchen.

Im Anschluss besuchten wir die Stadtbibliothek Stuttgart am Mailänder Platz. Dieses auch sehr futuristische Gebäude passte gut zum dystopischen „Corpus Delicti“. Auf dem Dach der Stadtbibliothek wurde auch das Gruppenbild aufgenommen.

 

Theaterkritik von Mia Pauli, Thorben Steinhilper, Sophie Schöttle  und Sarah Rivas, ergänzt durch Henriette Dieterle.